Bayerischer Wald

 

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Erschienen am 22.07.2020 um 09:38 Uhr

Zeitarbeit statt Werkverträge

- Erste Aufwärtstrend sorgen für Optimismus in der Zeitarbeit
- Die Zeitarbeit ist ein systemrelevantes Instrument für eine erfolgreiche Wirtschaft
- Die Gleichsetzung der Zeitarbeit mit Werkverträgen ist unhaltbar

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen wie durch die Covid-19 Pandemie entsteht naturgemäß ein starker Druck auf alle Betriebe. Das gilt für gleichermaßen für die Personaldienstleister, die sich mit den Folgen der stärksten Rezession der Nachkriegsgeschichte herumschlagen müssen. So ist die Zahl der neuen Stellenangebote in der Zeitarbeit im zweiten Quartal im Verhältnis zum Vorjahr um 53% eingebrochen, während die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeit zum Höhepunkt der Krise im April um 4,6% gegenüber dem März zurückgegangen ist. Man erkennt jedoch daran, dass ebenso wie die meisten anderen Betriebe die Arbeitgeber in der Zeitarbeit stark daran interessiert sind, ihre Mitarbeiter zu halten. Wenn der Vertrag mit dem Kundenunternehmen endet, bleibt der Mitarbeiter des Personaldienstleisters in seinem Anstellungsverhältnis. Viele Personaldienstleister nutzen die Möglichkeit der Kurzarbeit, um die schlimmsten Auswirkungen der Krise abzuwenden. Und das Ende scheint in Sicht. Der Ifo-Geschäftsklima-Index verzeichnet im Juni den stärksten Anstieg der Geschichte und das Wachstum der Arbeitslosenzahlen generell hat sich deutlich verlangsamt. Für die Personaldienstleister mit den derzeit knapp 650.000 Beschäftigten in der Zeitarbeit sieht der Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Zeitarbeit (BAP) Lazay auch langfristig eine stabile Zukunft und rechnet mit einem Anteil von 2% bis 5% aller Beschäftigten.

Die Zeitarbeit ist systemrelevant - sowohl für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer

Längst hat sich die Zeitarbeit als systemrelevante Branche im Wirtschaftsleben etabliert. Das bestätigen nicht nur die Aussagen von Arbeitgeberverbänden, wichtigen Gewerkschaften und einer Mehrheit von Politikern, sondern es zeigt sich auch in einer Reihe von Umfragen zur Zufriedenheit der hier beschäftigten Arbeitnehmer. Die Personaldienstleister stellen einerseits die von den Zahlen her wichtigsten Arbeitgeber für Geflüchtete und ehemalige Langzeitarbeitslose dar und verhelfen ihnen zu einem stabilen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Andererseits bildet sich unter den Arbeitnehmern der Zeitarbeit ein immer stärker wachsender Anteil an gut ausgebildeten Fachkräften und Universitätsabsolventen, die die Flexibilität der Zeitarbeit für sich zu nutzen verstehen. Die Grundlage für diese Entwicklung bilden einerseits die klaren rechtlichen Regelungen für den Einsatz und die Absicherung der Beschäftigten in der Zeitarbeit. Mindestens genau so wichtig sind die regelmäßigen tariflichen Verhandlungen und Abschlüsse mit der Arbeitsgruppe “Zeitarbeit” der acht Einzelgewerkschaften im DGB. So wird die jetzt verabschiedete stufenweise Anhebung der gesetzlichen Mindestlöhne in keiner Phase den tariflich vereinbarten Mindestlohn in der Zeitarbeit einholen.

Das System der Profitmaximierung weist Bruchstellen auf

In der Krise werden die systembedingten Schwachstellen in der Wirtschaft deutlicher. Das zeigt sich ebenso in der Globalisierung wie in der Profitmaximierung um jeden Preis. In Deutschland wirkte sich die Abhängigkeit von globalisierten Wertschöpfungsketten vor allem drastisch in der Zulieferindustrie und der Verlagerung ganzer Produktionen z.B. für Medikamente und Schutzkleidung aus. Bei der Fleischproduktion aus der Massentierhaltung zeigten sich die Nachteile prekärer Arbeitsbedingungen vor allem durch den Ausbruch der Pandemie bei fleischverarbeitenden Betrieben. Daraufhin sah sich die Politik gezwungen einzugreifen. Angeregt durch manche Ministerpräsidenten stellten große Unternehmen ihre Produktionsabläufe so um, dass auch hierzulande Schutzmasken und andere Hilfsmittel hergestellt werden konnten. Das Arbeitsministerium will sich die Bedingungen in der Fleischverarbeitung vorknöpfen und plant ein Verbot der Werkverträge und der Zeitarbeit bis zum Ende des Jahres. Doch mit dieser Gleichstellung könnten die positiven Absichten des Bundesarbeitsministers zu weit gehen und das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn die gesetzlich gut geregelte Zeitarbeit stellt gerade für die saisonabhängige Fleischverarbeitung ein existentiell wichtiges Instrument zur wirtschaftlichen Produktion dar. Die hauptsächlichen Ursachen der unhaltbaren Zustände in der Fleischverarbeitung liegen vielmehr bei den Werkverträgen und ihren in der Praxis schlecht oder gar nicht überprüfbaren Regelungen. Das sehen z.B. auch die Verbände der Geflügelwirtschaft so und bieten dem Arbeitsministerium einen allgemeingültigen Tarifvertrag an, um die Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter auf eine einheitlich überprüfbare Grundlage zu stellen. Dieser Schritt wird allgemein begrüßt.

Werkverträge als modernes Mittel der Leistungserbringung

Wenn dieser Tage die Medien immer wieder auf die Zustände in der Fleischverarbeitung hinweisen, werden Werkverträge und Zeitarbeit meist in einem Satz genannt. Das ist so nicht haltbar. Was sind denn die Grundlagen für einen Werkvertrag und die Grundlagen für Zeitarbeit, bestehen da denn so entscheidende Unterschiede? Ja, diese Unterschiede lassen sich so kurz wie eindeutig herausarbeiten, wie es auch der iGZ, der Interessenverband der Zeitarbeitsunternehmen, dieser Tage unternimmt. In einem Werkvertrag wird ein Abkommen zwischen einem Kundenunternehmen und einem Dienstleister getroffen. Darin geht es um die Ableistung und Erfüllung eines “Werkes”. Sobald dieses Abkommen erfüllt ist, zahlt das Kundenunternehmen einen “Werklohn”, um den Dienstleister zu entgelten. Im jeweiligen Vertrag wird das Werk und meist die dafür benötigte Zeit genau beschrieben, während die Art Erfüllung der Leistung gänzlich dem Auftragnehmer überlassen wird. Diese Werkverträge wurden seit der Zeit des zunehmenden Outsourcing immer wichtiger und können durchaus eine positive Form der Dienstleistung für alle Beteiligten darstellen. Wenn z.B. ein größeres Unternehmen in seinen Räumen eine völlig neue Vernetzung installieren lassen will, schließt es einen Werkvertrag mit einem spezialisierten Dienstleister ab, dessen angestellte Mitarbeiter in den Räumen des Auftraggebers auf Weisung ihrer Führungskräfte ihren Job machen. Nach Erbringung der Leistung ist das Geschäft beendet. Den Auftraggeber interessieren dabei die Arbeitsbedingungen dieser Mitarbeiter des Dienstleisters nicht, sie können z.B. unterschiedliche Arbeitszeiten haben und ganz andere Löhne beziehen als vergleichbare Mitarbeiter des Auftraggebers.

Existentielle Unterschiede zur Zeitarbeit

In der Zeitarbeit sind diese und andere Punkte völlig anders geregelt. In der Zeitarbeit werden die Mitarbeiter dem Kundenunternehmen für einen gewissen nach oben begrenzten Zeitraum überlassen. Während ihrer Arbeit unterliegen sie dem fachlichen Weisungsrecht der dortigen Führungskräfte. Sie genießen die gleichen tariflich oder unternehmensintern vereinbarten Vorteile wie die Stammmitarbeiter und erhalten spätestens nach 10 Monaten einen vergleichbaren Lohn. Für sie gelten die gleichen Arbeitsschutzregelungen, die zusätzlich vom Personaldienstleister zu kontrollieren sind. Ihr Grundentgelt ist tariflich mit dem DGB geregelt. Der Betriebsrat darf in ihrem Fall intervenieren wie auch sie bei der Arbeitnehmermitbestimmung beteiligt sind. Ihre Arbeitszeit muss beim Kundenunternehmen und beim Personaldienstleister dokumentiert werden und sie sind voll in die Strukturen und Abläufe des Kundenunternehmens eingebunden. Die Arbeitnehmer aus der Zeitarbeit werden nach ihrer Arbeitszeit bezahlt. Der Dienstleister aus dem Werkvertrag dagegen wird für die Erfüllung der vereinbarten Leistung bezahlt. Wie er das mit seinem Mitarbeitern regelt, ist seine Sache. Dabei ist er höchstens an den gesetzlichen Mindestlohn und das Arbeitszeitgesetz gebunden, darf aber seinerseits sogar Sub-Werkverträge abschließen und die Erfüllung seiner Verpflichtungen damit Subunternehmern überlassen. Wenn deren Mitarbeiter dann aus dem osteuropäischen Raum stammen, kaum Deutsch sprechen und für die Unterbringung während ihrer Einsätze sogar weit überhöhte Mieten für eine minderwertig ausgestattete Gemeinschaftsunterkunft zahlen müssen, sind die Zustände für den Zoll kaum noch zu kontrollieren. Bei der Zeitarbeit obliegt die Kontrolle der Arbeitsbedingungen neben dem Zoll zusätzlich noch der Bundesagentur für Arbeit.

Jetzt die richtigen Konsequenzen ziehen

Ein Werkvertrag wird auf Grundlage des §§ 631 f des Bürgerlichen Gesetzbuches abgeschlossen und regelt wie gesagt nur die Bedingungen der Erfüllung des Vertragsgegenstandes und ggf. das Vorgehen, wenn es zu einer Vertragsverletzung kommt. Die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in der Zeitarbeit sind dagegen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt. Ihre Einhaltung kann jederzeit verlangt werden. Zudem benötigt ein Personaldienstleister eine behördlich verliehene Genehmigung zur Ausübung seiner Tätigkeit. Für sie sind verschiedene Qualifikationen nachzuweisen und sie wird zunächst nur auf Probe erteilt. Der Dienstleister, der einen Werkvertrag abschließt, unterliegt praktisch keiner Kontrolle. Beim iGZ ist dagegen sogar eine unabhängige Schiedsstelle eingerichtet worden, die von Mitarbeitern der angeschlossenen Personaldienstleister angerufen werden kann. Wenn dann wie vorgeschlagen noch ein allgemein gültiger Tarifvertrag für eine ganze Branche besteht, sollten zumindest menschenwürdige Arbeitsbedingungen leicht zu verwirklichen sein. Allerdings müssen sich dann die Verbraucher wohl von den Dumping-Preisen für Fleischprodukte verabschieden. Beides wäre aus unserer Sicht durchaus wünschenswert. Die Gleichsetzung der Bedingungen der Zeitarbeit mit den Zuständen, wie sie durch schlecht kontrollierbare Werkverträge entstanden sind, ist jedenfalls so nicht hinnehmbar. Sie schadet den langjährigen Bemühungen des größten Teils der Personaldienstleister, die sich als verantwortliche Arbeitgeber begreifen.

 

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